[2007]
Über Martin Pfeifle
Gudrun Bott
Auch wenn derpassionierte Heimwerker überzeugt sein mag, seine Ein- und Umbauten verdanktensich allein praktischen Notwendigkeiten, könnte alles immer auch ganz andersaussehen. Dass es eine Form des rein Funktionalen nicht gibt und jeder Konstruktionästhetische Kriterien zugrunde liegen, ist spätestens mit der„form-follows-function“ Debatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts geklärt. Wersich mit beliebten Renovierungshelfern wie Holzpanelen, Gipskarton,Haushaltslack, Teppichfliesen, Folien, Spanplatten, Styropor, Neonröhren usw.ans Werk macht, steht vor formalen Entscheidungen, - ob er sich der Verquickungvon Konstruktion und Ornament bzw. Design bewusst ist oder nicht.
Als Bildhauerarbeitet Martin Pfeifle mit eben diesen handelsüblichen Bau-Stoffen. Ausgehendvon einer Bestandsaufnahme des Raumes - seinen formalen Gegebenheiten, seiner Atmosphäre- interessieren ihn Materialeigenschaften und Konstruktionsprinzipien alsParameter der künstlerischen Idee. In seinen großformatigen Arbeiten erzeugen modularentwickelte Formen mit meist selbsttragenden Steck- und Stützverbindungen serielle Verläufe und Rasterungen auf den Oberflächen. Dabei suggerierenPräzision und Plausibilität der gebauten Strukturen eine Leichtigkeit, mit derdie sperrige Grundkonstitution der Materialien zurück tritt hinter ein offenes,lichtdurchlässiges Gefüge aus Positiv- und Negativformen, das vom Monumentalen wie vom Ephemeren gleich weit entfernt liegt.
Vielleicht verdankt sich der Eindruck des Transitorisch-Luziden auch der Art und Weise, wie Martin Pfeifles Werke den Raum stets mitdenken, ohne mit ihm zu verschmelzen. Der Künstler nutzt den Raum alsBühne für den Auftritt des Konstruktiven, das seine angestammte(pseudo)funktionale Sphäre verlassen hat, um unerschlossene Daseinsformen zu erproben und Bilder zu erzeugen. Wenn er dabei das Material ebenso wie dieKonstruktion bis an die Grenzen zum Bersten und Kippen und darüber hinaus belastet, entsteht ein besonderes Moment des Innehaltens: Ein Zustand zwischen Stabilität und Zusammenbruch, in dem unter künstlerischer Regie maximale Spannung und konzentrierterStillstand zusammen fallen.
Mit dieser Behauptung der künstlerischen Arbeit als autonomer Geste erfolgt so über dieTransformation des Materials wie des Raumes hinaus eine befreiende Deklaration von offenen Gestaltungs- und Handlungsspielräumen, die weniger in einem unmittelbar wörtlichen Sinne denn in einem übertragenen Sinne zu verstehen sind.
Even if the keen DIYenthusiast is convinced that his installations and conversions are based solelyon practical necessities, everything could always look quite different. Thefact that there is no such thing as a purely functional form and that everyconstruction is based on aesthetic criteria has been clear since the ‘formfollows function’ debate at the beginning of the 20th century. Anyone who setsto work with popular renovation materials such as wooden panels, plasterboard,household paint, carpet tiles, foils, chipboard, polystyrene, neon tubes, etc.is faced with formal decisions, regardless of whether they are aware of thefusion of construction and ornament or design.
As a sculptor, Martin Pfeifleworks with precisely these standard building materials. Starting from aninventory of the space – its formal characteristics, its atmosphere – he isinterested in the material properties and construction principles as parametersfor the artistic idea. In his large-format works, modular forms with mostlyself-supporting plug-in and support connections create serial progressions andgrids on the surfaces. The precision and plausibility of the constructedstructures suggest a lightness with which the bulky basic constitution of thematerials recedes behind an open, light-permeable structure of positive andnegative forms, which is equally distant from the monumental and the ephemeral.
Perhaps the impression of thetransitory and lucid is also due to the way in which Martin Pfeifle's worksalways take the space into account without merging with it. The artist uses thespace as a stage for the appearance of the constructive, which has left itsancestral (pseudo)functional sphere in order to test untapped forms ofexistence and create images. When he pushes the material and the constructionto the limits of bursting and tipping over and beyond, a special moment ofpause arises: a state between stability and collapse, in which, under artisticdirection, maximum tension and concentrated standstill coincide.
With this assertion of theartistic work as an autonomous gesture, a liberating declaration of open spacesfor design and action takes place, beyond the transformation of the materialand the space, which is to be understood less in an immediately literal sensethan in a figurative sense.
Gudrun Bott