[2009]

Gilt die Schwerkraft auch für den großen Wurf?

Gudrun Bott

Martin Pfeifles installative Arbeiten besetzen den Raum. Sie nehmen ihn in Beschlag, deklarieren ihn zur Bühne ihres Auftritts und beanspruchen die gesamte Aufmerksamkeit des Besuchers. Was hier nach imperialer Geste klingt, erzeugt ein genau gegenteiliges Raumerlebnis: Offene, durchlässige Gefüge von korrespondierenden Boden- und Wandgestaltungen schaffen einen Ort, dessen unterschiedliche Facetten sich im Begehen erschließen. Gezackte Bodenmarkierungen, diagonal aufgereihte Neonstäbe, gefalzte Papiere, geknickter Gipskarton, Raster aus lackierten Holzpanelen oder Quader aus Styropor lassen die gängige Produktpalette aus dem Baumarkt erkennen. Deren Einsatz folgt allerdings gänzlich anderen Maßgaben als denen des Heimwerkers. Als Bildhauer interessieren Martin Pfeifle formale Qualitäten und Materialeigenschaften dieser industriellen Massenerzeugnisse, mit denen sich großzügig bauen lässt. Mit einem Augenzwinkern schlägt er den Bogen zum Impetus der Minimal Art aus den frühen 1960er Jahren, die mit geometrischem Vokabular, industrieller Fertigung und Seriellität jede konventionelle Bedeutungsproduktion in der Kunst mit dem Verweis allein auf das objektiv Sicht-bare, auf Form und Material, unterlaufen wollte. Bei aller Faszination auch 50 Jahre später – warum solche Strenge, wenn sich doch unzählige Pfade für den lustvoll kreativen Umgang mit den überquellenden Lagerbeständen des Bausektors auftun? Warum hier nicht aus dem Vollen schöpfen, zumal dabei geometrische Klarheit und formale Präzision weiterhin den Takt vorgeben können? 

Natürlich stellt sich in einer Zeit permanenter Oberflächengenerierung auch die Frage der Moderne nach Materialauthentizität grundsätzlich neu. Längst ist das Fake aus der ideologischen Schmuddelecke befreit und zum wichtigsten Mitspieler im Kaleidoskop schillernder Oberflächen avanciert. Wenn in Martin Pfeifles Werken massiv wirkende Konstruktionen aus der Nähe eine fragile Leichtigkeit offenbaren oder scheinbar gefalzte Metallbleche tatsächlich aus golden besprühten Papierbahnen bestehen, dann entfaltet der Künstler ein freies Spiel mit Referenzsystemen. Er bewegt sich dabei im Spannungsfeld von Funktionalem und Pseudofunktionalem, Material und Oberfläche, Zitat und Erfindung. Im Zugriff auf Architektur, Skulptur und Ornament der Moderne wie in der Verwertung der Baumarktsortimente fügen sich Vorstellungen von Fragment und Kulisse zu offenen räumlichen Sets, deren Kohärenz vom Betrachter abhängt. Martin Pfeifles Arbeiten entstehen für einen Raum und in einem Raum, ohne jedoch mit ihm zu verschmelzen oder Dauerhaftigkeit zu beanspruchen. In der Art, wie der Künstler sie in den Raum einpasst, an die Wand anlegt oder auf dem Boden ausdehnt, vermittelt sich immer auch die Behauptung ihrer prinzipiellen Mobilität, ihrer nur befristeten Anwesenheit. Dass ihre starke ästhetische Präsenz so stets auch ihr Verschwinden mit impliziert, macht sie zu Zeugen einer künstlerischen Freiheit, die in der Umsetzung großer Ideen und Vorhaben nach einfachen Mitteln greift und nicht nach dem Haltbarkeitsdatum fragt, weil sie auf eine Leichtigkeit zielt, wie sie vielleicht nur temporär zu haben ist. Imaginäre Orte kann man nicht bauen, sie entstehen im Kopf.

Does gravity also apply to the big throw?

Martin Pfeifle's installation works occupy the space. They monopolise it, declare it the stage for their performance and demand the visitor's full attention. What may sound like an imperial gesture here produces a spatial experience that is exactly the opposite: open, permeable structures of corresponding floor and wall designs create a place whose different facets reveal themselves as one walks through them. Jagged floor markings, neon tubes arranged in diagonal lines, folded paper, creased plasterboard, grids of painted wooden panels or polystyrene blocks reveal the common product range from the DIY store. Their use, however, follows completely different criteria than those of the DIY enthusiast. As a sculptor, Martin Pfeifle is interested in the formal qualities and material properties of these industrial mass-produced products, which can be used for generous building. With a wink, he draws a connection to the impetus of Minimal Art from the early 1960s, which sought to undermine every conventional production of meaning in art with a reference solely to the objectively visible, to form and material, using a geometric vocabulary, industrial production and seriality. Even 50 years later, we are still fascinated by it – but why such rigour when there are countless other paths that could have been taken for the sensually creative handling of the construction sector's overflowing stock? Why not draw on unlimited resources here, especially since geometric clarity and formal precision can continue to set the pace? 

Of course, in an era of permanent surface generation, the question of material authenticity, which is fundamental to modernism, is also posed anew. The fake has long since been freed from the ideological grubby corner and has become the most important player in the kaleidoscope of dazzling surfaces. When solid-looking constructions in Martin Pfeifle's works reveal a fragile lightness up close, or seemingly folded metal sheets actually consist of paper strips spray-painted gold, the artist unfolds a free game with reference systems. He moves in the field of tension between the functional and the pseudo-functional, material and surface, quotation and invention. In his appropriation of modernist architecture, sculpture and ornament, as well as in his use of building supplies, ideas of fragment and backdrop merge into open spatial sets whose coherence depends on the viewer. Martin Pfeifle's works are created for a space and in a space, but without merging with it or claiming permanence. The way the artist fits them into the room, lays them flat against the wall or spreads them out on the floor, always also conveys the assertion of their fundamental mobility, their temporary presence. The fact that their strong aesthetic presence always implies their disappearance as well makes them witnesses to an artistic freedom that uses simple means to implement great ideas and projects and does not ask about the shelf life, because it aims for a lightness that is perhaps only available on a temporary basis. You can't build imaginary places, they arise in the mind.